Alles wirkliche Leben ist Begegnung

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Ein Herz für Sierra Leone und jeden Gast: Dr. Elisabeth Klett

Im goldenen Licht der letzten Spätnachmittagssonne schneidet Dr. Elisabeth Klett selbstversunken ein paar Forsythienzweige für die Vase ab. Ihre Bewegungen und das Funkeln ihrer Augen im Gespräch lassen nicht vermuten, dass man hier eine betagte Dame vor sich hat. Kürzlich feiert die bekannte Kinderärztin, die ihr Herz besonders an das arme afrikanische Land Sierra Leone und die Menschen dort verloren hat, ihren 90. Geburtstag.

Ihr Haus in Marzoll ist voller Musikinstrumente, die sie alle selber spielt, und man findet auch einige Erinnerungsobjekte von ihren Reisen. In unserem Gespräch zwischen alten Fotoalben – nach Kaffee und Kuchen im Garten – lässt sie ihr bewegtes Leben Revue passieren und stellt zugleich klar: „Ich suhl‘ mich nicht in dem, was gewesen ist. Ich möchte, dass es jetzt noch schön ist.“

Geboren wurde Elisabeth Klett in einem kleinen Städtchen in der Rhön als Tochter eines Richters. „An meinen zwei älteren Brüdern habe ich mich immer gemessen und war sehr sportbegeistert.“ Aus dem Stand nahm sie an vielen Wettbewerben teil, zum Beispiel den Österreichischen Hochschulmeisterschaften; ob Leichtathletik, Schwimmen, Skifahren – alles lag ihr.

Nach dem Humanistischen Gymnasium, wo sie beim Abi das einzige Mädchen war, studierte sie in Würzburg und Innsbruck Medizin. Noch heute pflegt sie die Verbindungen zu ehemaligen Klassenkameraden und Kommilitonen.

Neben dem Sport war die Musik, eine Familientradition, von früh an ihr Lebenselixier: „Ans Klavier haben sie mich schon im Vorschulalter gesetzt.“ Sie beherrscht Harfe, Klavier, Schifferklavier, Trompete, Gitarre, sang in vielen Chören und gestaltete mit Musik und Gesang Weihnachtsfeiern und Feste. „In den letzten zwei Jahren habe ich mir noch einen Kontrabass zugelegt gelernt.“

Ihr Haus war und ist ein Ort der Gastfreundschaft. Kinderärzte aus Sachsen kommen seit der Wiedervereinigung jedes Jahr im Advent zu ihr. Sie lud bewusst auch Menschen in Nöten ein wie psychisch Erkrankte oder betroffene Familien, die Angehörige beim Amoklauf in Erfurt verloren.

Von 1965 bis 2000 führte sie als Kinderärztin eine Praxis in Bad Reichenhall, ganze Generationen von Reichenhallern zählten zu ihren Patienten. Nach dem Tod ihrer Mutter, die sie von 1997 bis 1999 pflegte, verwirklichte Elisabeth Klett ihren Lebenstraum: Sie brach auf in die so genannte „Dritten Welt“, jährlich sechs Wochen lang. Unter anderem reiste sie nach Südafrika und Rumänien. 2009 war sie erstmals in Sierra Leone. „An dieses bitterarme afrikanische Land, gebeutelt vom Bürgerkrieg und Ebola, habe ich mein Herz verloren.“

Zunächst war sie mit den „Ärzten der Dritten Welt“, die heute „German Doctors“ heißen, unterwegs; später organisierte sie sich auf ihren Reisen selber. 2009 hat sie zusammen mit zwei Ärztinnen in Sierra Leone ein wieder aufgebautes Krankenhaus neu belebt und zum Laufen gebracht und dann die Leitung den „German Doctors“ übertragen.

Mit zwei, drei oder vier Leuten aus der Heimat zusammen reiste sie aus privater Initiative regelmäßig in das westafrikanische Land, betrieb Aufklärung im Busch gegen weibliche Genitalbeschneidung und -verstümmelung, und machte sich beim dortigen Minister für bessere Bildung stark. Einmal fuhr sie auch mit einer Gruppe von Männern hin auf der Suche nach Olympia-Teilnehmern aus Sierra Leone für die Olympiade 2012 in London, ein Projekt, das letztlich an den finanziellen Mitteln scheiterte.

Die Kinderärztin bemühte sich darum, von allen Seiten an die Problematik heranzugehen: „Wir wollten auch diese Beschneiderinnen von ihrem Handwerk wegbringen und uns darauf konzentrieren, dass sie die jungen Frauen zu guten Hausfrauen und Müttern ausbilden, ohne Beschneidung.“ Durch den Kontakt zu eine Stiftung in Wien, „Desert Flower“, wurde Gesundheitsvorsorge und Bildung für die Mädchen ermöglicht.

„Das allerletzte Mal war ich dort kurz vor Corona“, erzählt Elisabeth Klett. Ein Waisenhaus am Meer wurde eröffnet. Die Ärztin nahm zwei Lehrerinnen mit, die sich für Aufklärung und Schwimmunterricht engagierten. „Und ich hab den ganzen Tag Praxis gemacht, sechs Wochen lang.“ In den Busch ließ man sie damals jedoch nicht mehr, das sei zu gefährlich.

Für ihren unermüdlichen Einsatz, der auch den vielen Ebola-Waisen galt, erhielt Dr. Klett hohe Auszeichnungen wie das „Goldene Stadtsiegel“ von Bad Reichenhall oder die Verdienstmedaille des Landkreises Berchtesgadener Land.

Woher nahm und nimmt sie ihre Energie? „Ich weiß es nicht“, beantwortet Elisabeth Klett diese Frage. „Das ist einfach ein Geschenk, wenn man das in die Wiege gelegt bekommen hat.“ Sie bedauert, dass die Menschen durch die Covid-Zeit „etwas fad“ geworden seien: „Im Moment muss ich mich mehr anstrengen, dass es nicht langweilig ist. Ich muss noch mehr einladen.“ Für sie ist „alles wirkliche Leben Begegnung“. Diese Begegnungen zu ermöglichen, dazu möchte sie noch so lange sie kann Impulse geben. „Und im Jetzt leben.“

Veronika Mergenthal
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